Eigentlich sollte dies ein kleiner Artikel zu den Themen Selbstorganisation, Zeitmanagement und Work-Life-Balance, pünktlich zum Jahreswechsel werden. Doch noch ehe ich zu schreiben begann, wurde mir schmerzlich bewusst:

Da bahnt sich schon wieder so eine typische „Gute-Vorsätze“-Geschichte zu Silvester an…

Haben die Menschen denn nicht schon genug Druck? Oder bin das nur ich?

„Gute Vorsätze zum Jahresanfang haben einen Unterton von Resignation. Da ist dann Skepsis geboten und nicht Ehrgeiz.“ – Johannes Gross

Alle Jahre wieder nehmen wir uns im Herbst-Winter, allerspätestens jedoch „zwischen den Jahren“, eine ganze Menge vor. Sind Sie auch schon so weit?

Lassen Sie sich bitte mal folgendes auf der Zunge zergehen:
Diese Woche wird noch nicht zu Ende sein, dann ist schon 2022.
Für mich – ein beängstigender Gedanke. Können Sie das nachvollziehen?

Das Damoklesschwert der guten Vorsätze hängt bereits über dem Kopf, wie an so manchem wichtigen Datum. Geburtstage sind davon nicht ausgenommen. Diejenigen, die besonderen Daten keine besondere Bedeutung beimessen (oder zumindest sich selbst und anderen gegenüber sehr erfolgreich so tun, um etwaige Enttäuschungen zu vermeiden), haben es dieser Tage wohl leichter. Wer keine Erwartungen – und dazu auch noch an sich selbst – hegt, wird auch nicht enttäuscht werden.

Doch was ist mit den anderen, die hoffnungs- und erwartungsschwanger auf besondere Anlässe blicken? Ich zum Beispiel bin selbstverständlich Liebhaberin besonderer Daten und Tage – als Historikerin habe ich da praktisch keine Wahl. Ich liebe Narrative, Entwicklungsbögen und Daten, an denen ich sie festmachen kann. Umso heftiger ereilen mich, einen doch eigentlich noch jungen Menschen, schon seit meiner Kindheit runde Geburtstage und besondere Anlässe, weil sich Erwartungen und Sehnsüchte daran heften, wie Zecken an meine Hündin im Juni.

Eine Anekdote:

Mit 10 Jahren saß ich in der Küche und mir wurde plötzlich schlagartig bewusst, dass ich diese Lebensspanne nur noch einige Male (höchstens sieben, acht weitere?) würde erleben können. So schnell geht es und dann ist alles vorbei. Und dabei konnte ich da schon kaum mehr als fünf Minuten Erinnerungen an die ersten zehn Jahre zusammenkriegen.

Der Bilder-Schnelldurchlauf, der die Erinnerung staucht, ist ein normales Phänomen, für ein Kind in einer solchen Situation aber erschreckend. „Wie? Nur noch wenige Male ein paar kleine Fetzen und schon durch die Nummer?!“
Das wirklich Erschreckende ist wohl, dass mir einige Alte rückblickend zustimmen würden. Gute Fetzen, schlechte Fetzen, großartige Fetzen, Tod.

Worauf will ich hinaus?

Das Leben ist kurz und wir verbringen so viel unserer Energie mit Selbstoptimierung, die letzten Endes doch häufig nur eine Kehrseite der Selbstkritik darstellt. Aber Hauptsache wir haben uns was Tolles vorgenommen.

Lassen Sie mich Ihnen als Historikerin etwas sagen: Das runde Datum, der frische Jahresbeginn erreicht vor allem, dass Sie Ihren Fortschritt rückblickend leichter einordnen und an einem simplen Datum festmachen können – wie bei der Steuererklärung.

Leichter erreichbar werden Fortschritte dadurch nicht.

Und ob das Datum bei Ihnen eher Motivation oder Druck auslöst, ist ebenfalls hochindividuell, kann also nicht als Basis für einen verallgemeinernden Post Zum Thema Selbstorganisation dienen.

Wozu uns aber das Jahresende inspirieren kann, ist, dem natürlichen Lauf der Dinge zu folgen.

Das Jahr ist genau wie die Küchenuhr, die ich damals als Kind angestarrt habe – rund. Unsere Zielvorstellungen sind so erschreckend linear; und das ganz besonders, wenn es um unsere guten, neuen Vorsätze geht. Doch der Jahreswechsel sollte uns daran erinnern, dass wir im Leben immer wieder an dieselben Punkte gelangen. Und das ist gut, denn so können wir sie immer neu und reifer angehen. Wie eine Aufwärts-Spirale, anstatt einer unerbittlichen Geraden. Jedes neue Scheitern, jede Träne, jeder Misserfolg sind Stationen, die wir so nicht noch einmal anfahren werden und wenn dann auf einem höheren Level.

Mein Punkt ist: ich habe keinerlei Ratschläge zu verteilen, was Selbstorganisation betrifft.

Der Jahreswechsel macht mir persönlich eher Druck und Daten, so weiß ich, werden besonders, indem an ihnen etwas passiert, das besonders ist; nicht aber indem wir ihnen, nur weil sie rund sind, etwas Besonderes auflasten, sie also im Voraus besonders zu machen versuchen.
Der 6. September wird für meine Mutter immer ein besonderes Datum sein. Es ist weder rund, noch kann es es mit dem 8/9. Mai 1945 aufnehmen oder dem 3. Oktober 1989, allerdings erblickte an dem Tag ihre Tochter das Licht der Welt und nichts war seitdem wie zuvor.

Was will ich also mit dem 01.01.?
Ich habe doch das ganze Jahr, um gute Erinnerungen zu kreieren.

Probieren Sie sich aus, setzen Sie neue Standards, gehen Sie mutig voran! Ihr Handeln wird immer und unbedingt Früchte tragen!
Aber lassen Sie sich bitte KEINESFALLS davon entmutigen, wenn Ihnen am 03.01. etwas nicht so gelingt, wie am 01.01. Sehen Sie es als liebevolle Erinnerung des neuen Jahres daran, dass es genau so voller neuer Möglichkeiten sein wird, wie alle andren. Das Universum ist expansiv. Es möchte Ihr Wachstum und es will, dass Sie immer mehr wollen. Wir alle bleiben nie stehen. Daher brauchen wir uns aber auch nicht künstlich anzutreiben. Die Wachstumsspirale ist stabil und führt Sie früher oder später ohnehin dazu, sich in Feld A oder Z noch einmal etwas weiter zu entwickeln. Nichts ist glatt oder linear. Aber alles ist zyklisch. Das soll Sie motivieren und zugleich den Druck von Ihnen abfallen lassen. Denn was Ihnen jetzt gelingt, wird unabwendbar von einem noch höheren Ziel ersetzt werden und was nicht – das dürfen Sie immer wieder neu angehen.

In diesem Sinne – einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr.
Ihre StrategyPirates®!

Die Diskussion zu diesem Impuls gibt es auch zum hören – in unserem Podcast.

Maria Mysachenko

STRATEGY PIRATES®-Social-Media, Historikerin, Sopranistin, Mediatorin

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Steffen Moldenhauer

Gründer & Geschäftsführer der STRATEGY PIRATES®

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