„Menschen sind keine Roboter. Warum behandelt moderne BWL sie dann noch immer so?“

Steffen Moldenhauer

 

In der Wirtschaft besteht seit eh und je eine geradezu unstillbare Sehnsucht nach Einfachheit, Planbarkeit und Vorhersehbarkeit. Alles Eigenschaften, die vor allem gut funktionierende Maschinen ausmachen.

Vor gut 100 Jahren – unmittelbar vor der 2. Industriellen Revolution und somit nicht zuletzt dem Zeitgeist geschuldet – empfanden wir die Übertragung maschineller Eigenschaften auf den Menschen als faszinierende Utopie. Unternehmensphilosophien wie Scientific Management und verwandte Denkrichtungen, wie die des US-Amerikaners Frederick Winslow Taylor prägten nachhaltig die industrielle Arbeitswelt. Der Taylorismus suchte, Produktionsprozesse in möglichst kleine Teile zu zerlegen und den Gesamtablauf durch genaueste Vorgaben (Stichwort: Stoppuhr) wirtschaftlich gesehen zu optimieren.

Nach anfänglich uneingeschränkter Technik-Begeisterung lehrte uns schon Bulgakow – der in seinem 1925 erschienenen allegorischen Roman Hundeherz die Idee des „neuen sowjetischen Menschen“ kritisierte – spätestens jedoch die gesamte Riege der Science-Fiktion-Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Wo der Mensch seiner menschlichsten Eigenschaften beraubt wird, sind dystopische Zustände nicht fern.

Mit der Zeit geriet der tayloristische Ansatz wegen mangelnder Wissenschaftlichkeit und Humanität also verständlicherweise in die Kritik.

Ganz getreu diesem Ansatz arbeitet die klassische Betriebswirtschafts- und Managementlehre jedoch bis heute erstaunlich häufig mit einer minutiösen Arbeitsteilung und -planung, die mit Flexibilität, Reaktionsschnelligkeit und inspiriertem Arbeiten herzlich wenig zu tun hat. Abläufe in Produktion und Logistik, aber – und das mutet zurecht kontraintuitiv an – auch in der Gesundheits- und Pflegebranche werden minutengenau durchgetaktet, um wirtschaftlich profitabler zu sein:

„Zwölf Minuten für Tabletten, Tropfen und tschüs!“

schreibt Till-R. Stoldt noch 2013 in der Online-Ausgabe der WELT.

Dass mehr Menschlichkeit auch mehr Produktivität bedeuten kann, wird dabei außer Acht gelassen. Man nimmt dem Menschen das Denken und die Intuition ab. Nicht verwunderlich übrigens, wenn sich bald daraufhin auch das Fühlen verabschiedet; Burnout lässt grüßen. Dabei kann Intuition so profitsteigernd sein. Das beweisen bspw. Unternehmer wie der Niederländer Jos de Blok mit seinem Buurtzorg-Konzept. Sein Motto – Menschlichkeit vor Bürokratie. Und das sollte nicht nur spezifisch von humanitärem Einsatz zehrende Branchen, wie die Pflege, interessieren.

In der Wirtschaft können Dehumanisierung und Entfremdung auf den ersten Blick profitsteigernd wirken, aber langfristig muss sich dieser Profit irgendwo anders niederschlagen. Am Ende einer solchen Rechnung mit besonders spitzem Bleistift ist die Firma vielleicht auf dem Papier gesünder, wird jedoch langfristig von innen heraus erkranken, da die Arbeitsabläufe ihre Mitarbeiter ressourcentechnisch nach und nach ausgehöhlt haben.

Optimierung der Arbeitsprozesse in allen Ehren… Dennoch ist längst bekannt, wieviel Verwirrung, Frustration und letzten Endes Stagnation ein Mikro-Management verursachen kann, das sich aus der Angst speist, potentiell noch ausquetschbaren Profit zu verpassen. Es beutet sein größtes Kapital, nämlich seine Mitarbeiter aus und hält ihre Potentiale zurück, anstatt sie damit mutig ins Feld zu schicken.

Vielleicht ist es ja unser Denken, das in Zeiten von Home Office und mehr Selbstständigkeit bei ständig wachsender Jobvielfalt der dringenden Optimierung bedarf.

Prozesse nämlich, die Menschen wie Maschinen behandeln, behindern die Entfaltung von Qualitäten, die weit wertvoller und fruchtbarer sind, als Planungssicherheit, die dann letzten Endes mehr gefühlt als tatsächlich vorhanden ist. Risikobereitschaft, Leidenschaft, oft geradezu irrationaler Biss, Vision und Idealismus stehen hinter jeder zukunftsweisenden Entwicklung. Zuweilen ist der Mensch – wir lehnen uns mal aus dem Fenster – tatsächlich auch so klug, wie die Aufgabe, die wir ihm zuteilen.

Zur Not wächst er mit ihr. Und auch das ist schön.

Vielleicht sollten wir uns mehr auf unsere eigene Menschlichkeit und die unserer Mitarbeiter einlassen? Wer weiß, welch utopischer Gewinn am Ende einer solchen Gleichung steht…

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen die Crew der STRATEGY PIRATES®

Maria Mysachenko

STRATEGY PIRATES®-Social-Media, Historikerin, Sopranistin, Mediatorin

E-Mail: maria@strategy-pirates.com